AngeDOKt: „Comfortzone“ – Democratic Backsliding

Im Doku-Game „Comfortzone“ steht eine fiktive Diktatur im Fokus. Bei DOKVILLE sprachen Entwicklerin Elena Schilling und Dr. Lisa König vom Zentrum für didaktische Computerspielforschung Freiburg über das Projekt.

Worum geht’s?

Die Handlung spielt zehn Jahre in der Zukunft in einer fiktiven Diktatur. Die Gamer schlüpfen in die Rollen der Geschwister Khira und Khan, der Nachrichtensprecher ist. Khira hat ein regimekritisches Gedicht gepostet, das viral geht. Eine der ersten Entscheidungen, die man als Spieler:in treffen muss: Lässt man Khan die Fahndung nach seiner Schwester in den News vorlesen oder nicht?

Spielentwicklung und Zielgruppe

Elena Schilling erklärt dem DOKVILLE Publikum, dass sie die Idee für „Comfortzone“ durch reale Ereignisse entwickelte. „Ich habe mich gefragt, wie ein Land wie Russland in die Situation abrutscht, dass es Krieg führt. Das kommt ja nicht einfach so. Ich bin in Russland geboren, deshalb wollte ich etwas darüber machen. Aber einen Dokumentarfilm zu drehen, wäre für mich zu nah gewesen.“ Schilling habe sich zuerst an die Jugendstiftung Baden-Württemberg gewandt. „Die haben ein Netzwerk, das ‚Lernort für Demokratie‘ heißt, ein Verbund von verschiedenen Schulen. Im Rahmen der Jugendstiftung gab es die Möglichkeit, mit einem kleinen Team Prototypen zu bauen und sich dann auf eine größere Förderung zu bewerben.“
Zielgruppe des Spiels seien laut Schilling junge Menschen, die noch nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen würden. Das interaktive Format ermögliche selbstständige Entscheidungen. Doch wie fühlen sich diese an und welche Konsequenzen ziehen sie nach sich?




Spielerisches Heranführen an Lernziele 

Elena Schilling und Dr. Lisa König haben sich 2022 auf der Gamescom in Köln kennengelernt. König arbeitet im Zentrum für didaktische Computerspielforschung, das in Europa einzigartig ist. „Wir schauen, wie man Games für den Bildungskontext aufbereiten kann. Welche Inhalte eignen sich für konkrete Lernprozesse bei Kindern?“ 

Entscheidungs-Dilemma

In „Comfortzone“ gibt es die Möglichkeit, sogenannte „Social Points“ zu sammeln – Punkte für ein sozial erwünschtes Verhalten. Was dystopisch klingt, ist in der Volksrepublik China bereits Realität. Durch die Social Points ließe sich im Game experimentieren, wie sich jemand verhält, der Punkte sammeln kann oder sie abgezogen bekommt. Dadurch verschärfe sich das Entscheidungs-Dilemma; es kitzele die eigene Haltung heraus.

„Wie fühle ich mich in so einem System? Wo spüre ich, dass es eng wird um den Hals? Und wo fühle ich mich frei und kann sagen, es ist mir egal, ob ich Punkteabzug bekomme oder nicht? Im Prinzip geht es darum, eine Art Muskel zu trainieren, der einen davor schützt, irgendwann in so eine Situation hereinzuschlittern.“, so Schilling.

Verständnis für Demokratie entwickeln

Demokratiebildung und Grundrechte würden ohnehin in der Schule unterrichtet, so König. Das Potenzial interaktiver Games könne den Vermittlungsprozess dieser Werte hervorragend unterstützen, denn Schülerinnen und Schüler müssten hier, ganz anders als im Unterricht, nicht mit Arbeitsblättern agieren. Ihre eigenen Entscheidungen haben im Spiel direkte Folgen. Solche Reflexionsangebote zu schaffen, seien für einen Perspektivwechsel und die damit verbundene Transferleistung der erste Schritt. „Urteilen ist immer leicht“, stellt König fest. Es sei jedoch viel wichtiger, nachzuvollziehen, selbst zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen.

Dr. Lisa König im Panel AngeDOKt zum Doku-Game "Comfortzone"
Panel AngeDOKt "Comfortzone"

Aufruf: Test-Klassen gesucht!

Aktuell werden Test-Klassen gesucht, um das Spiel zielgruppengerecht weiterzuentwickeln! Hierzu wird die aktuelle Version von Comfortzone gespielt (ca. 35 min) und anschließend ein paar Fragen dazu beantwortet (3 min.). Gut geeignet für eine Vertretungsstunde oder bei Leerlauf vor den Sommerferien. Wer Lust hat, kann gerne über Instagram @theelenaschilling oder @jointhecomfortzone schreiben oder an [email protected] mailen.