DOKVILLE 2025 – Warum rückt unsere Gesellschaft nach rechts? Dokumentarische Positionen.
Eric Friedler, HDF-Geschäftsführung, über DOKVILLE 2025
Es ist deutsche, europäische, ja eine weltweit grassierende Realität. Parteien und Protagonist:innen einer politisch extrem rechtskonservativen, auch rechtsextremistischen Ausrichtung und Überzeugung bestimmen zunehmend den gesellschaftlichen Diskurs. Gewinnen bei Wahlen deutlich an Stimmen hinzu – und profitieren auch von versteckter Zustimmung in der Bevölkerung zu ihren Positionen. Sogar als ‚völkische Einstellung‘ tritt diese Anschauung offen auf. Rechtsextreme Parteien zeigen ungeschönt, geradezu selbstbewusst ihre Verachtung für Institutionen der Demokratie. In Polen waren und in Ungarn sind immer noch Prozesse im Gang, rechtsstaatliche Prinzipien auszuhöhlen. In der Slowakei und in Italien werden solche vorangetrieben, in Österreich kippt der demokratische Geist bedenklich, in den Niederlanden, in Frankreich, selbst in England und in den skandinavischen Ländern treiben rechtsextreme Ansichten die Wähler:innen um. Auch in Deutschland. Die Protagonist:innen dieser rechtsextremen Aktivitäten und Einreden hießen und heißen beispielsweise Jarosław Kascyński, Viktor Orbán, Roberto Fico, Giorgia Meloni, Herbert Kickl, Geert Wilders, Marine Le Pen, Nigel Farage. In Deutschland bedient der thüringische Vorsitzende der AfD Björn Höcke seinen rechtsextremistischen Manipulationsapparat. Mithin: Aus den spukenden Gespenstern des rechtsextremen politischen Lagers sind Politiker:innen aus Fleisch und Blut geworden. Antidemokratisches Denken hat sich tief in die europäischen Gesellschaften gefressen. Das perfide Kalkül: Hat es sich dort erstmal eingenistet, dann erübrigen sich Wahlen, man muss sie nicht mal mehr abschaffen. Moderne Autokratien nutzen subversive Strukturen.
Allianzen rechtsextremer und populistischer Kräfte
Autokratische Systeme sind mehr als nur der sprichwörtliche Tyrann an der Spitze, der mit Gewalt nach Gutdünken von oben regiert und zensiert und unterdrückt, wie es ihm passt. Heute werden autokratische Systeme durch raffinierte internationale Netzwerke aufgebaut und unterstützt. Sie konstituieren eine wachsende Phalanx rechtsextremer und populistischer Allianzen. Die untereinander agieren. Gemeinsam Ressourcen der manipulativen Einwirkung nutzen. Das Zusammenspiel von Desinformation und Korruption virtuos zum eigenen Nutzen in Betrieb halten. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus sind nicht nur in Deutschland virulente und morbiphore Erscheinungen, sondern Stichworte, die die politischen Debatten in ganz Europa verseuchen. Die rhetorischen Beschwörungen von Verteilungs- und Zugangskrisen befeuern Ängste. Politische Akteure werden als korrupt diskreditiert. Und im Gegenzug verfängt – als ideologischer Kern – die Verheißung einer nationalen Identität, von den antidemokratischen Scharfmacher:innen rituell und litaneihaft als Lösungsformel beschworen.
Zuspruch der Wähler:innen
Doch was macht für viele Menschen die Rückkehr zu autoritären und antidemokratischen Herrschaftsformen so attraktiv? Was treibt Wähler:innen solcher Parteien an, macht sie zu willfährigen, bedingungslosen, ja gläubigen Unterstützer:innen? Bereit, den Steigbügel zum Aufstieg für diese Populisten zu halten. Welche Rolle kommt bei dieser Entwicklung eines dezidiert politischen Rucks nach rechts, in ein quasi isoliertes nationalistisches Universum, Sozialen Medien zu? Verschwörungserzählungen haben bedingungs- und bedenkenlosen Zulauf, Verachtung der sogenannten Eliten hat billige Konjunktur, Aufstiegsverheißungen, die nicht hinterfragt, sondern hingenommen werden, setzen Energien bei jenen frei, die sich unterprivilegiert fühlen. Worin genau liegen die strukturellen Gründe für das Abrutschen so vieler Wähler:innen ins rechtsextreme Milieu, das nicht mehr als solches empfunden, sondern akzeptiert wird als die ‚gute Stube‘ der Politik?
DOKVILLE 2025: Dokumentarfilm im gesellschaftlichen Kontext der Gegenwart
DOKVILLE 2025 stellt diese für das demokratische Europa existenzielle Fragen, sucht die kontroverse Debatte und den aufgeschlossenen Austausch in Rede und Filmen, mit Gästen und Filmemacher:innen aus dem In- und Ausland. Welche Auswirkungen hat diese Situation auf den kritischen oder investigativen Dokumentarfilm? Welche Auswirkungen hat es auf die Pressefreiheit? Selbstverständlich wird sich auch dieses Jahr die Branche in Stuttgart treffen und in unterschiedlichen Veranstaltungen über die Herausfordernden des Dokumentarfilms zwischen Kino, Streaming, Mediatheken und linearem Programm diskutieren. Auch wird DOKVILLE in diesem Jahr das erfolgreiche Pitchingformat Speed-Dating fortsetzen. Ebenso 2025 wird DOKVILLE über Strategien und Wettbewerb im Dokumentarischen sprechen (müssen). All das aber nicht jenseits der gesellschaftspolitischen Entwicklungen des Landes und Europas. Auf Panels, in Case Studies, in offener und freier Rede, angeregt von Keynotes und Impulsreferaten renommierter Publizist:innen und Filmemacher:innen.
Neue Dokumentarfilme und Doku-Serien reichern das Programm gezielt an und hinterfragen die Probleme des Genres im gesellschaftlichen Kontext der Gegenwart. Der Blick richtet sich auf Deutschland, weitet sich in die Nachbarländer, auf die europäischen und transatlantische Gegebenheiten. Dies alles auf der Grundlage eines überzeugten demokratischen Diskurses.