Dok:Schnitt:Zukunft: Montage unter prekären Bedingungen
Dokumentarfilme entstehen im Schnitt. Editor:innen haben einen hohen Anteil an der Qualität der Filme, was von allen anerkannt wird. Aber oft entstehen die Dokumentarfilme unter schwierigen Arbeitsbedingungen. Die Diskussion dazu gab es bei DOKVILLE.
Das Panel „Dok:Schnitt:Zukunft“ am ersten DOKVILLE-Tag begann mit einer Kurzpräsentation von Dietmar Kraus vom Vorstand des Bundesverbandes Filmschnitt Editor e.V. Hier wurden die oft prekären Bedingungen, unter denen die Editor:innen arbeiten, thematisiert.
Aktuelle Umfrage zu Montage-Alltag
Diese Materie machte eine im Mai veröffentliche Umfrage des Bundesverband Filmschnitt Editor (BFS) deutlich, deren ernüchternden Ergebnisse Dietmar Kraus kompakt präsentierte. Daran nahmen 171 Editor:innen teil, die ihre Erfahrungen aus 261 Filmen einbrachten.
Besonders erfolgreich sind etwa 30% der Filme, die in der Regel ein hohes Budget von knapp einer Million haben. Im Schnitt wurde 27 Wochen an den Filmen gearbeitet, während bei 65,8% der Filme weniger Tage für die Montage kalkuliert worden waren. Bei 60,9% der Filme gab es bei Vertragsabschluss keine Absprachen bei Überschreitung der Schnittzeit. Deshalb arbeiten 72% der freien Editor:innen unter Tarif (90%). Viele verzichten deshalb auf Dokumentarfilme und wechseln zum Spielfilm mit besseren Arbeitsbedingungen.
Der Kuchen muss größer werden
Die Festangestellten erhielten 297.- € pro Schnitttag, bei den freien Editor:innen lag die effektive Tagesgage bei 174.-€. Oft wird mit Pauschalbeträgen gearbeitet, die das Honorar noch einmal reduzieren. Selbst eine Finanzierung durch öffentlich-rechtliche Sender und Filmförderungen sorgt nicht für eine Verbesserung der Einkommenssituation; nur 6,6% wurden hier nach Tarif bezahlt. 41,4% der Produktionen verzichtete auf eine Schnittassistenz, was den Druck noch erhöht.
Die Forderungen des BFS, die Bedingungen neu zu verhandeln und eine eigenständige Förderung für die Postproduktion. Man strebt einen engen Schulterschluss mit anderen Gewerken an. Man will kein größeres Stück vom Kuchen, sondern der Kuchen muss größer werden, um allen eine angemessene Vergütung zu ermöglichen.
Knappe Planung der Schnittzeit
Die Ergebnisse der Umfrage fanden alle auf dem von Grit Lemke kompetent moderierten DOKVILLE-Panel erschreckend und alle waren sich einig, dass dies geändert werden muss. Die Produzentin Melanie Andernach kalkuliert für einen langen Dokumentarfilm in der Regel 25 Wochen mit einer Schnittassistenz. Zum Teil, gerade bei den niedrig budgetierten Filmen, würden sich die Kreativen entscheiden, länger an dem Projekt zu arbeiten.
„Die geringe Vergütung bei öffentlich-geförderten Produktionen hat mich überrascht“, stellte Petra Felber, Leiterin der BR-Dokumentarredaktion fest. Sie kann sich dies nur dadurch erklären, dass viele Nachwuchsprojekte und Low-Budget-Filme in die Umfrage eingeflossen sind, die unter anderen Bedingungen mit viel Idealismus der Beteiligten produziert werden. Beim BR würde schon nach Tarif bezahlt, aber sie räumt ein, dass die durchschnittliche Schnittzeit schon sehr lange mit 12 Wochen kalkuliert werde.
MFG unterstützt realistische Bezahlung
Die MFG Baden-Württemberg gehört zu den ersten Filmförderung, die eine sozial nachhaltige Honorierung zu einem Kriterium gemacht hat. Geschäftsführer Carl Bergengruen erläuterte, dass ein Herstellungsleiter jeden Antrag auf eine realistische Kalkulation prüfe und entsprechende Empfehlungen gäbe. „Wir geben den Produktionen und Sendern danach die Möglichkeit, die Kalkulation zu überarbeiten“, sagte er.
Die Jury bekommt geprüfte Projekte und muss dann entscheiden, wieweit sie diese Empfehlung berücksichtigt. Nachwuchsprojekte hätten natürlich andere Bedingungen. Die MFG hat auch eine Postproduktionsförderung, die aber nur greift, wenn keine anderen Förderungen beteiligt sind. In Rückstellungen sieht er keine Lösung, denn sie würden selten zurückgezahlt.
Lösung weniger Filme?
David Bernet, erfolgreicher Filmregisseur und Ko-Vorsitzender der AG DOK, produziert eher weniger lange Dokumentarfilme, die dann ein höheres Budget haben. „Höhere Aufwendungen in Stoffentwicklung und Postproduktion machen sicher auch den Erfolg eines Films aus“, ist er überzeugt. Er weist aber auch darauf hin, dass der lange Dokumentarfilm ein Kunstprodukt ist, dass schwer planbar sei. „Es findet eine Entprofessionalisierung statt, wenn die Beteiligten nicht professionell bezahlt werden“, stellt Bernet im DOKVILLE-Panel fest. Aber er macht sich auch für niedrig budgetierte Filme aus, die sehr erfolgreich sein können, wie die Reisedokumentation „Weit“ bewiesen hat.
Der Dokumentarfilm entsteht im Schnitt
Die Editorin Anne Fabini, die sehr erfolgreiche Dokumentarfilme wie „More Than Honey“ oder „Of Fathers And Sons“ gestaltet hat, wies auf die wichtige Bedeutung der Montage gerade im Dokumentarfilm hin. Viele der inhaltlichen und kreativen Entscheidungen fallen in dieser Phase. Die Erzählstränge werden aus dem Material regelrecht herauspräpariert. In den 1990er Jahren hatte man 20-30 Stunden Material, heute seien es 100-150 Stunden und darüber. Von daher käme letztlich nur ein ganzer kleiner Teil von wenigen Prozent in den Film.
„Da es im Gegensatz zum Spielfilm kein ausgearbeitetes Drehbuch gibt, entwickelt sich der Dokumentarfilm im Schnitt. Von daher ist die Schnittzeit so wichtig, um gute Dokumentarfilme zu gestalten“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. Im angloamerikanischen Markt würde mit Schnittphasen von acht Monaten bis zu einem Jahr kalkuliert. „Wir sollten uns von der Utopie vom Regie-Genie verabschieden, sondern es ist immer eine Teamarbeit“, stellt Fabini bei DOKVILLE unmissverständlich fest. Die Editor:innen sollten bei der Produktion früher beteiligt werden, wie es in den skandinavischen Ländern üblich ist.
Lösung neue Vertriebswege?
Die Chance, dass sich die Etats für die Dokumentarfilme bei den Sendern erhöhen, sieht Petra Felber nicht. „Für mich stellt sich die Frage, ob Gelder umgeschichtet werden können. Neue Vertriebswege bieten neue Chancen für den Dokumentarfilm. Da kommt gerade viel in Bewegung“.
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