Spotlight auf DOKVILLE 2023 – Medien und Diversität
DOKVILLE, der jährliche Branchentreff vom Haus des Dokumentarfilms, diskutiert am 15. und 16. Juni das Thema „Medien und Diversität“. Die Veranstaltung findet im Hospitalhof Stuttgart statt und wird live gestreamt. Im Fokus stehen Langformate und Doku-Serien. Wir stellen ausgewählte Programm-Inhalte vor.
Keynote von Janboris Rätz
Janboris Rätz liefert einen Impuls zum Thema „Diversity“. Als Person, die sich als non-binär und homosexuell identifiziert, ist Rätz seit 2015 in der Moderation der SWR Landesschau Aktuell Rheinland-Pfalz tätig. Vor der Kamera vermittelt der*die Medienschaffende aktiv neue Rollenbilder. So trägt Rätz als häufig männlich gelesener Mensch vermeintlich „weibliche“ Attribute wie bunt lackierte Nägel im Fernsehen. Um Veränderungen anzustoßen, müsse sich Diversität in Handlungen widerspiegeln und dürfe nicht nur ein Punkt auf der Themenliste sein, ist sich Rätz sicher. Der Podcast „Die Türkin und das Queer“ mit SWR Aktuell Kollegin Fatma Mittler-Solak (auf YouTube und bei Spotify) sowie der Instagram-Kanal @janborisineinemwort lenken die Aufmerksamkeit zudem auf Themen wie „Mental Health“ oder die Debatte rund um eine gendergerechte und inklusive Sprache.
Work in Progress: „Die wundersame Verwandlung der Arbeiterklasse in Ausländer“
Ein Pfund bei DOKVILLE sind die Einblicke in Produktionen, die noch im Entstehen begriffen sind. In „Die wundersame Verwandlung der Arbeiterklasse in Ausländer“ spürt Samir Jamal Aldin (Dschoint Ventschr Filmproduktion) der Migrationsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg und den gesellschaftsgestaltenden Kräften der Migration nach. Sein Fokus liegt dabei auf der Schweiz. Er verwebt die gesellschaftlichen Umwälzungen seit Ende der 1960er Jahre mit seiner persönlichen Geschichte; verknüpft Dokumentarisches mit Technologien aus der Game-Industrie. Zuständig für die Konzeption und Produktion der Animationen im Film ist 3D Artist und Projektleiter Frédéric Hein von Blindflug Studios.
Der Produzent, Autor und Regisseur Samir (er ist unter seinem Vornamen bekannt) kam mit knapp sieben Jahren als „Flüchtlingskind“ in die Schweiz und wuchs in einer Arbeitervorstadt von Zürich in einem klassischen sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Umfeld auf. Samir zeigt, wie gleichgültig und zum Teil fremdenfeindlich sich Gewerkschaften und die Sozialdemokratische Partei (SP) zunächst gegenüber den Problemen der Migrant:innen verhielten und wie rassistische Tendenzen schließlich in der Mitte einer Gesellschaft ankommen konnten, die sich nach außen eigentlich weltoffen gibt.
Darüber hinaus illustriert „Die wundersame Verwandlung der Arbeiterklasse in Ausländer“ seinem Titel entsprechend, wie sich die klassische Schweizer Arbeiterkultur schrittweise aufgelöst hat und aus dem Begriff „Arbeiter“ ein Synonym für „Ausländer“ werden konnte. „Da ich diese Prozesse aus einem Blickwinkel eines Migranten erzähle, wird auch klar, dass im Kampf gegen diese reaktionären Tendenzen, aus der Wut auch Solidarität entstanden ist und neue Ideen für radikale Bewegungen“, führt Samir in einem Interview aus.
Produzentinnen-Panel
Ein Panel in Kooperation mit WIFT Germany (Women in Film and Television Germany) diskutiert, ob Produzentinnen gegenüber Produzenten in der Dokumentarfilmbranche benachteiligt sind. In der deutschen Film- und Fernsehbranche bekommen sie weniger Fördermittel und haben oftmals kleinere Budgets. Während eine Produzentin 17 Euro Fördermittel pro verkaufte Kinokarte erhält, sind es bei Produzenten 42 Euro. Dies formuliert eine Studie vom Institut für Medienforschung an der Universität Rostock (2020).
Weitere Fragestellungen des Panels sind: Repräsentationslücken, mangelnde Partizipation, Perspektiven und Handlungsbedarf. Es nehmen teil: Dagmar Biller/TANGRAM, Antje Boehmert/DOCDAYS PRODUCTIONS, Nicola Graef/GRAEF SCREEN PRODUCTIONS sowie Tina Leeb/FASTFORWARD. Von Senderseite ist Mirjam Dolderer, Teamleitung, SWR-Redaktion Dokumentarfilm, dabei. (Stand 15.5.23; Änderungen vorbehalten).
Graef war zuletzt mit zwei Case Studies bei DOKVILLE zu Gast: 2022 stellte sie gemeinsam mit Ko-Regisseurin Lena Scheidgen die Doku-Serie „Sie musste sterben“ vor. 2021 berichtete sie über den Work in Progress bei „Wir wollen nicht mehr warten! Die Generation Corona, Klima, Krieg“ (vormals „Kinder der Krise“). Der von nordmedia geförderte Dokumentarfilm ist bis zum 23.4.23 in der ARD Mediathek verfügbar. Antje Boehmert bereicherte als Produzentin der mit dem Grimme-Preis prämierten Serie „Charité Intensiv: Station 43“ 2021 die Panel-Diskussion zu neuen Impulsen für die Mediatheken und gab im Jahr darauf Einblicke in die Arbeit am Kino-Dokumentarfilm „Sara Mardini – Gegen den Strom“. Dieser ist Ende März 2023 im Kino angelaufen.
VVK für DOKVILLE 2023
DIe Teilnahme an DOKVILLE ist in Präsenz im Hospitalhof Stuttgart (Büchsenstraße 33, 70174 Stuttgart) und online via Livestream möglich. Das komplette Programm gibt’s hier.