Jutta Krug, Terry Reeves, Katharina Gugel und Andrew Reeves beim DOKVILLE-Panel "Die 4 Reeves und ein Todesfall" am 15.06.2023.

DOKVILLE 2023: Case Study „Die 4 Reeves und ein Todesfall“

Von ihrer Kindheit in Kölner Pflegefamilien, ihre gemeinsame Musikkarriere und dem Mord an ihrem Bruder Jim sprechen Terry, Shary und Andrew Reeves in „Die 4 Reeves und ein Todesfall”. Bei DOKVILLE 2023 wurde die Doku in einer Case Study vorgestellt.

1992 hatten die 4 Reeves – Andrew, Jim, Shary und Terry – mit ihrem Auftritt beim „Arsch huh”-Konzert (Kölsch für „Arsch hoch“) gegen rechte Gewalt in Köln ihren Durchbruch. Es folgten regelmäßige Auftritte im Fernsehen und auf großen Bühnen. Die 4 Reeves gehörten darüber hinaus zu den Ersten, die deutschen Hip-Hop gemacht haben – teils sogar im kölschen Dialekt. Dann löste sich die Band auf und Jim Reeves startete eine Solokarriere. 2016 wurde er in einem Berliner Hostel ermordet. Die Doku „Die 4 Reeves und ein Todesfall“ greift auf, was danach passiert ist. „Der Mord an Jim hat die Familiengeschichte überschattet und geprägt“, so Jutta Krug. Die WDR-Redakteurin war zusammen mit Regisseurin und Autorin Katharina Gugel sowie den Reeves-Geschwistern Andrew und Terry bei DOKVILLE am 15. Juni 2023 zu Gast.

Terry Reeves bei DOKVILLE am 15.06.2023.
Terry und Andrew Reeves bei der DOKVILLE-Case Study.
Andrew Reeves bei DOKVILLE 2023.

Der Mord an Jim Reeves hat die Familie stark geprägt

„Die 4 Reeves und ein Todesfall“ thematisiert zum einen, wie die 4 Reeves ein Kapitel deutscher Musikgeschichte geprägt haben. Sie waren mit die Ersten, die auf Deutsch rappten. Das Musikprojekt ist ein großer Teil der Familiengeschichte, ebenso wie der Mord an Jim. Die Regisseurin Katharina Gugel stieß durch Zufall auf die Geschichte der 4 Reeves. Als sie an einem True Crime-Format arbeitete, bekam sie die Einladung eines Anwalts, sich aktuelle Fälle anzuschauen. Er hat die Familie Reeves nach dem Mord an Jim vertreten.

„Wir haben mit den Protagonist:innen über einen langen Zeitraum gedreht“, berichtete Katharina Gugel bei DOKVILLE. Sieben Jahre nach dem Mord ist die Doku entstanden. Es wurde deutlich, wie verschieden die einzelnen Familienmitglieder mit dem Tod von Jim umgehen. „Jeder hat auch unterschiedlich lange gebraucht, damit umzugehen. Dass eines der Geschwister gewaltsam umgebracht wurde, ist ein starker Einschnitt in die Geschichte der Familie“, so die Regisseurin.

Andrew Reeves und Katharina Gugel auf dem DOKVILLE-Panel am 15.06.2023.
Andrew Reeves und die Regisseurin und Autorin Katharina Gugel bei DOKVILLE.

Sieben Jahre später erscheint die Doku

Nicht alle konnten und wollten in der Doku über Jim sprechen oder zeigten ihre Gefühle ganz offen. „Alle Emotionen passieren und sind so natürlich, dass ich niemals sagen würde, wir brechen die Dreharbeiten ab“, erklärte Katharina Gugel auf dem DOKVILLE-Panel. Es sei auch richtig, die Trauer in der Doku zu zeigen, betonte sie. Direkt nach dem Tod lehnte die Familie den Pressekontakt erstmal ab.

Dann kam die Anfrage, die Doku zu drehen. Zusammen mit Lichtblick Film hat der WDR die Doku koproduziert. Für die Geschwister sei das schön gewesen, da der Sender durch seinen Standort in Köln mit der Heimat der Dreien verbunden ist. Sie wuchsen in Kölner Pflegefamilien auf.

Rassistische Erfahrungen sind allgegenwärtig

Auch die Musikkarriere der Geschwister ist ein großes Thema in „Die 4 Reeves und ein Todesfall“. Bereits vor dem Auftritt beim „Arsch huh“-Konzert hatten sie einen Plattenvertrag bei einem renommierten Produzenten. Damals rappten sie ausschließlich auf Englisch. Dann erfuhren sie vom „Arsch huh“-Konzert, das als Reaktion auf eine Welle ausländerfeindlicher Angriffe, wie unter anderem in Rostock-Lichtenhagen, geplant war. Daraufhin wollten die Geschwister dort ebenfalls auftreten. Bis dahin waren nur Weiße Künstler:innen eingeplant, wie sie im Rahmen von DOKVILLE erzählten. „Wir als People of Color konnten die Botschaft des Konzerts vermitteln, da wir immer mit Rassismus konfrontiert wurden“, betonte Terry Reeves.

Das sei leider auch immer noch so, erwähnte Terry. Lediglich die Art, wie sie Rassismus erfahre, habe sich verändert. „Heute werden wir gezielt beschimpft und Menschen werden auch übergriffig. Früher war es dagegen sehr viel latenter“, erklärte sie. „Rassismus ist allgegenwärtig und noch offensichtlicher geworden“, so Terry. „Wenn man prominent ist, ist man in einer anderen Welt. Wenn etwas passiert, denkt man erst später drüber nach und merkt, wie sehr es einen beschäftigt“, bestätigte Andrew Reeves. Außerdem erfahre er so viel Alltagsrassismus, dass man Vieles nicht mehr direkt wahrnehme, berichtete er. Auch die Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit machen mussten, werden in „Die 4 Reeves und ein Todesfall“ thematisiert.

Jutta Krug, Terry und Andrew Reeves sowie Katharina Gugel bei DOKVILLE. Moderiert wurde die Case Study von Adrienne Braun.
Katharina Gugel, Andrew und Terry Reeves sowie Jutta Krug im Gespräch mit Moderatorin Adrienne Braun (v.r.n.l.)

Die Doku spiegelt die Familien- und Musikgeschichte wider

„Wir wollen mit dem Film auch dafür sorgen, dass es die Offenheit gibt, sich auf verschiedene Lebensrealitäten einzulassen“, so Jutta Krug bei DOKVILLE. Diese sollen in den Dokus abgebildet werden. „Die Familiengeschichte der Reeves‘, deren Alltagserfahrungen rassistisch geprägt sind, kann man aber nicht nur darauf reduzieren“, betonte die WDR-Redakteurin. Sie haben in der Musik große Erfolge gefeiert.

„Ihr habt eure Geschichte geteilt und es ist wichtig, diese aus eurer Perspektive zu erzählen“, meinte Jutta Krug. Die Arbeit an der Doku hat die Familie zusammengeschweißt, sind sich die Geschwister am Ende des DOKVILLE-Panels einig.

Die 4 Reeves und ein Todesfall ist noch bis zum 14. Juni 2024 in der ARD-Mediathek verfügbar.
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