In den Protokollen der Duisburger Filmwoche kann man die Diskussionen um neue Filme und Strömungen des Dokumentarischen nachlesen. Ein Relaunch der Seite protokult.de ermöglicht mit Schlagworten eine intuitive Recherche.
Filmgespräche als Markenzeichen
Die Duisburger Filmwoche wurde 1977 gegründet und steht seitdem für künstlerisch anspruchsvolle Dokumentarfilme aus dem deutschsprachigen Raum. Von Anfang an gab es nach den Vorführungen ungefähr einstündige Filmgespräche in Form öffentlicher Debatten zwischen den Filmschaffenden und dem Publikum. Sie fanden nicht im Kino statt, sondern ganz bewusst in einem separaten Raum. Moderiert wurden sie sowohl von der Festivalleitung, Mitgliedern der Auswahlkommission als auch geladenen Gästen.
Von Beginn an wurden diese Gespräche von jungen Journalist*innen und Filmwissenschaftler*innen mitgeschrieben und die daraus entstandenen, komprimiert zusammengefassten Protokollen dann in gedruckter Form veröffentlicht. Sie sind wichtige Zeugnisse der Aussprache und der Auseinandersetzung mit dem Genre des Dokumentarfilms. Man kann dort sehr gut die Veränderungen der dokumentarischen Form nachvollziehen. Sie eröffnen Perspektiven auf Filme, stellen Personen und ihre Argumente vor.
Subjektive Einschätzungen
Legendär ist beispielsweise die dort geführte Debatte zwischen Klaus Wildenhahn und Klaus Kreimeier, inwieweit ein Dokumentarfilm gestaltet sein darf. Auslöser war 1979 die Vorführung des Films „Von wegen Schicksal“, wobei sich eigentliche Debatte zwischen Wildenhahn und Kreimeier danach in Artikeln entwickelte. Von daher haben diese Aufzeichnungen einen historischen Wert für die Filmgeschichtsschreibung. Auch die Protokolle haben sich verändert von zunächst reinen Wortprotokollen hin zu Gedächtnisprotokollen mit subjektiven Einschätzungen der öffentlichen Reaktion auf die Filme. Sie bieten mittlerweile gezielt Raum für persönliche, teils provokante Anmerkungen.
Relaunch von Protokult
Seit 2011 online, ist das Archiv Protokult ein Fundus, an dem sowohl Kontinuitäten und Brüche in der Geschichte des Dokumentarfilms abzulesen sind, als auch Verschiebungen im Sprechen über Film. Jetzt gab es einen Relaunch der Seite mit einem neuen Look und einer neuen Form der Diskursivität. Anhand einer detaillierten Verschlagwortung sowie einer besseren Suche können nun mehrere Jahrzehnte Dokumentarfilm thematisch in Bezug zueinander gesetzt werden. Protokult wird damit noch umfassender zum digitalen Instrument für filmwissenschaftliche und journalistische Recherche. Die beiden Festivalmacher*innen Gudrun Sommer und Christian Koch zu dem Duisburger Projekt: „Protokult unternimmt es, den ‚Haufen, der die Geschichte ist‘ (Heise), nicht einfach abzuladen, sondern ihn aufzuwühlen, ihn mit jeder Anfrage infrage zu stellen. Wenn es in den Duisburger Debatten darum ging, Bilder zu befragen, dann ist Protokult das Archiv, das hilft, diese Fragen in Begriffe zu fassen und so in Schwingung zu versetzen.“
Ein Stück Dokgeschichte
Eine Bildergalerie verdeutlicht zudem, wie sich in mehr als 40 Jahren Diskursgeschichte nicht nur die Räume und Anordnungen der Gespräche, sondern auch Gesten und Moden verändern. Ganz aktuell gibt es unter Extra das Protokoll zur Konferenz „Dokumentarische Serie: Höllental“ vom November 2020. Zum Relaunch der Website stellt die Redaktion einen Bezug zur Gegenwart her und veröffentlicht in einem Blog vier Texte, die auf verschiedene Weise filmhistorisch vernetzen wollen.